Tragische Nachlässigkeit

Nachdem die Aufregung über Spaldings Broschüre abgeklungen war, zeigten die Mormonen wenig Interesse an Ägyptologie. Jean Capheart, ein Ägyptologe, der Salt Lake City besuchte, bemerkte diesen Mangel an Interesse: "Dr. Capheart lobte die Heiligen der Letzten Tage für ihr Studium des Ägyptischen und fragte sich gleichzeitig, warum es kein größeres Studium der Wissenschaft als Ergebnis der Grundlage gibt, die ihre Religion in der Echtheit ihres Buches Abraham hat." (Deseret News, wie in Pearl of Great Price Conference, 1964er-Ausgabe, S. 60, zitiert)

Tatsächlich aber haben Mormonengelehrte eine merkwürdige Einstellung gegenüber der Wissenschaft der Ägyptologie gehabt. Es hat eine Menge Anmaßung, aber sehr wenig Versuche gegeben, sich mit den grundlegenden Streitfragen in diesem Zusammenhang auseinander zu setzen. Dr. Nibley gibt zu, dass dies wahr ist:

"Bis auf den heutigen Tag hat niemand die Art von Studium in Angriff genommen, die notwendig wäre, um die Köstliche Perle in den Griff zu bekommen,... alle Studien der Köstlichen Perle haben ohne Ausnahme die Natur von nebensächlichen Studien - Abrisse, historische Hintergründe, usw. - oder einleitende Überblicke gehabt...

Ein gesondert dafür eingerichtetes Kollegium und Erweiterungskurse, Absolventen-Seminare, kirchenweite Serien von Vorlesungen, staatlich-öffentliche Symposien, Bücher, Broschüren, Monographien, Zeitungen und Artikel, alle aufgemacht in aufwendigen Einbänden, gewöhnlich mit Reproduktionen der Faksimiles aus der Köstlichen Perle geschmückt oder mit ägyptischen Symbolen zurechtgemacht - sie alle haben es nicht geschafft, über die Startlinie des Rennens hinauszukommen, das nach allem auf der langen, harten Hindernisstrecke der ägyptischen Grammatik und Epigraphie gelaufen werden muss und nicht am Rednerpult der Vorlesungen. Die Mormonen - so scheint es - haben sich ganz auf die Tricks und Techniken der Erziehung verlegt, aber sie haben nie eine wirkliche Neigung gezeigt, die zähen Grundfragen des Beweises, die durch die Köstliche Perle gestellt werden, in Angriff zu nehmen." (Improvement Era, Jan. 1968, Seite 24)

In einem in den Brigham Young University Studies veröffentlichten Artikel erklärt Dr. Nibley:

"Es gibt keinen Mangel an Leuten, die Bücher und Artikel veröffentlichen, die Gelehrten-Symposien abhalten, die Unteriaht geben und Vorlesungen halten über die Mysterien der Köstlichen Perle, aber die kostbaren Papyri selbst, das Thema so vieler weiser Reden die Jahre hindurch, werden mit beschämtem SCHWEIGEN begrüßt. Man sagt, als die Chinesen bei ihren ersten Seegefechten mit Europäern herausfanden, dass ihre Schiffe den Dampfschiffen nicht gewachsen waren, dass sie dazu übergingen auf den Decks ihrer Dschunken Schornsteine aufzurichten, in denen sie Stroh verbrannten, um so mit der furchtbaren Erscheinung ihrer Feinde wetteifern zu können. Die scheinbaren Dampfer stellten die Chinesen ohne Zweifel zufrieden und machten Eindruck solange sie nicht gegen wirkliche Dampfer kämpfen mussten. Und so verhält es sich mit unserer Mormonen-Gelehrsamkeit, die emsig in ihrer sicheren und bequemen Isolation die Gelehrsamkeit der Welt nachäfft. Es wäre über die Jahre möglich gewesen, von Zeit zu Zeit die Dienste der Welt besten Ägyptologen und Archäologen in Anspruch zu nehmen und zwar für den Bruchteil der Kosten - ich sage 'mal - für eine örtliche Reklame-Kampagne, um das Ansehen der Universität zu verbessern. Unser Ansehen hat nicht nur durch solch eine tragische Nachlässigkeit gelitten, sondern jetzt in dem Augenblick der Wahrheit müssen die Mormonen der Welt unvorbereitet gegenübertreten, nachdem ihnen einhundert Jahre lang reichlich Warnungen gegeben worden sind." (Brigham Young University Studies, Winter 1968, S. 171, 172)

Es ist interessant zu wissen, dass die Brigham-Young-Universität Kopien von "Joseph Smiths Egyptian Alphabeth and Grammar" (Joseph Smiths ägyptisches Alphabet und ägyptische Grammatik) über 30 Jahre lang gehabt hatte. Dieses Werk beinhaltet seitenweise ägyptische Schriftzeichen, die vom ursprünglichen Papyrus abgeschrieben worden waren. Dennoch, wie merkwürdig es auch erscheinen mag, hat niemand von der BYU eine Übersetzung dieses Materials veröffentlicht! Am 11. Dezember 1967 machte Dr. Sidney B. Sperry folgende Bemerkung zu diesem Werk:

"DR. SPERRY: Eine Sache, die mich an dieser ganzen Geschichte betroffen macht, ist die Bedeutung unserer Entdeckung vor 30 Jahren von Joseph Smith's Egyptian Alphabeth and Grammar. Als wir sie das erste Mal öffneten, fanden wir zahlreiche Seiten von ägyptischem Material...In diesem Buchband muss hundertmal mehr Material enthalten gewesen sein als in der ganzen Köstlichen Perle." (Newsletter and Proceedings of the Society for Early Historic Archaeology, B.Y.U., 1. März 1968, S.

Auf einer Pearl of Great Price Conference, die im Dezember 1960 abgehalten wurde, erklärte Dr. Sperry: "Wir haben hundertmal mehr ägyptisches Material als Sie im ganzen Buch Abraham haben, wie es gegenwärtig gedruckt wird. Hier ist noch ein Stück Übersetzung. Beachten Sie diese Seite, eine ganze Seite mit ägyptischem Material...Brüder und Schwestern, wir haben eine aufregende Aufgabe der Übersetzung dieser Schriftzeichen, wenn sie möglich ist, von denen ein Teil hieratisch und ein Teil hieroglyphisch ist, vor uns." (Pearl of Great Price Conference, Ausgabe von 1964, S. 8,9)

Auf den Seiten 10 und 11 desselben Buches beantwortet Dr. Sperry eine Anzahl von Fragen. Einige seiner Antworten sind sehr aufschlussreich:

"Frage: Gibt es etwas von dem 'hundertmal mehr Material', das übersetzt ist, und wenn ja, wer hat es?

Nun ja, Dr. Clark und ich haben es. Wir haben es nicht übersetzt. Das wird eine fürchterliche Arbeit werden, glauben Sie mir.

Frage: Erscheint es Ihnen nach den Untersuchungen, die Sie schon durchgeführt haben, überhaupt als wahrscheinlich, dass das Manuskript Josephs und Abrahams sich noch irgendwo befinden kann oder noch gefunden werden kann?

Antwort: Das ist ein ziemliches Problem. Ich glaube, dass der Bericht Josephs oder wenigstens ein Teil davon sich in diesem Material befindet. Was für eine Sensation wäre es, wenn wir es übersetzt bekommen könnten!

Frage: Was ist die gegenwärtige Einstellung der Kirchenführer gegenüber dem Übersetzen dieser zusätzlichen Information, die Sie gefunden haben?

Antwort: Ich weiß es nicht. Ich vermute, dass die Brüder es veröffentlichen lassen würden, aber zur gegenwärtigen Zeit ist es ungewiss."

Dr. Sperry hat einige Kurse in Ägyptisch an der Universität von Chicago genommen. Wenn er wirklich das Gefühl hatte, dass diese Texte das Werk Joseph Smiths unterstützten, warum hat er sich nicht selbst der Arbeit gewidmet, sie zu übersetzen? Dr. Nibley hat ebenfalls Kurse in Ägyptisch genommen, dennoch gab er 1968 frei zu, dass "er kaum fünf Minuten mit der ägyptischen Grammatik (d.h. Joseph Smiths ägyptisches Alphabet und ägyptische Grammatik) verbracht hatte, und er hätte es auch nicht vor, es sei denn, er wird dazu gezwungen." (Brigham Young University Studies, Winter 1968, S. 176)

Hugh Nibley und Sidney Sperry haben Jahre damit verbracht, an Büchern und Artikeln zu arbeiten, um die Mormonenkirche zu verteidigen. Warum haben sie diese Zeit nicht darin investiert, an diesen wichtigen Dokumenten zu arbeiten? Könnte es sein, dass sie den Verdacht hatten, dass dieses Material Joseph Smiths Werk nicht bestätigen würde?


 

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Laut Joseph Smith hat er das Buch Abraham von einer Papyrusrolle aus dem Ägyptischen übersetzt. Als die Papyri wiedergefunden wurden, war man gespannt, ob Joseph Smith tatsächlich richtig übersetzen konnte.
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