Nibleys neues Buch
Wie wir früher schon darauf hinwiesen, behauptete 1979 Dr. Hugh Nibley, dass er an einem neuen Buch arbeitete. Dieses Buch mit dem Titel Abraham in Egypt wurde 1981 von Deseret Books veröffentlicht. Wie in allen anderen seinen Werken über das Thema, streift er das Hauptthema in Bezug auf die Genauigkeit der Übersetzung des Buches Abraham und kehrt zu seinem alten Thema zurück, dass das Buch Abraham Ähnlichkeit mit apokryphischen Schriften hätte. Auf Seite 2 seines Buches gibt Nibley zu, dass der Ägyptologe E. A. W. Budge 1913 eine mögliche Verwandtschaft aufzeigte, als er kommentierte, dass das Buch Abraham „deutlich auf der Bibel und einigen der apokryphischen Geschichtsberichten des Alten Testaments basiert“. Nibley behauptet aber, dass Joseph Smith keinen Zugriff zu diesen Schriften gehabt haben könnte. Nun, während es wahr ist, dass Smith keinen Zugriff zu allen apokryphischen Schriften gehabt hätte, die heute erhältlich sind, weist Wesley P. Walters darauf hin, dass ihm strukturelles Material in den „popular commentaries“ und anderen Schriften seiner Tage zur Verfügung stand (siehe Joseph Smith Among the Egyptians, S. 39).
In seinem neuen Buch gibt Nibley einige interessante Kommentare in Bezug auf den Vorwurf ab, dass Joseph Smith zwei Frauen als Männer in Faksimile Nr. 3 falsch identifizierte:
„Jeder, der Joseph Smiths Auslegung von Faksimile Nr. 3 mit der größten Mühe niederzureißen versucht, braucht sich nur seine Bestimmung von ‚König Pharao’ und ‚Prinz des Pharao’ anzusehen, zwei Figuren, die so offensichtlich weiblich sind, dass ein dreijähriges Kind nicht zögern wird, sie als solche zu identifizieren. Warum haben dann Ägyptologen nicht auf diese endgültige Absurdität hingewiesen und den Fall abgetan? Kann es vielleicht sein, dass es da etwas seltsames Ägyptisches um diese Eigenheit gibt, die menschliche Wesen als Götter und Männer als Frauen darstellt? Wir haben schon im Fall von Imhotep auf eine solche Möglichkeit hingewiesen, bei der, um es voran zu bringen, wir sehen, dass seine Frau und seine Mutter als Göttinnen gekleidet sind, die letzte sogar als Hathor… Sogar noch überraschender: Wildung führt ein Beispiel an, bei dem wir Anat [die kanaanitische Version von Hathor] als ‚Anat des Ramses’ als eine göttliche Form des Ramses [des Königs] selbst in der Gestalt einer Göttin identifizieren können… Hier haben Sie es - die Dame Hathor, die Figur 2 in Faksimile Nr. 3 ist, könnte niemand anderer sein als Pharao selbst. Die beiden Damen im Faksimile, die Figuren 2 und 4 werden leicht von jedem Anfänger als die Göttinnen Hathor und Maat identifiziert werden. Sie scheinen unerlässlich in Szenen, die mit der Übertragung von Macht und Vollmacht zu tun haben. Der Anblick der Männer, Könige und Prinzen als Frauen gekleidet ruft nach einer kurzen Anmerkung über die grundsätzliche Streitfrage besonders über die Ägypter und das Buch Abraham, nämlich die Spannung zwischen den Ansprüchen der patriarchalischen gegenüber der matriarchalischen Nachfolge.“ (Abraham In Egypt, S. 133)
„Aber würden ‚König Pharao’ und der ‚Prinz des Pharao’ sich als Göttinnen kleiden, die ihre Majestät im Augenblick des Übergangs verkörperten? Fragen Sie sie… Es war ohne Zweifel die weltweite Praktik des Maskierens und Nachahmens, so natürlich und spontan wie Tanzen, was ein Teil von solchen Dingen war. ‚Weil es keine wirkliche Identifizierung oder Verschmelzung gibt’, erklärt E. Hornung, ‚konnte der Gott ungestraft jede Form oder jedes Geschlecht, wie es ihm gefiel, annehmen , ohne jemanden zu stören.’… Isis war als Neith ‚zu zwei Drittel Mann und zu einem Drittel Frau’, was ihr ermöglichte, mit Chnum, dem Schöpfer zu verschmelzen, da sowohl männliche als auch weibliche Elemente für jeden Akt der Schöpfung unerlässlich sind… Diese Frau tritt mit der bekannten weißen Krone auf, ‚aber ihrem Kostüm ist ein Bart hinzugefügt, um so ihr androgenes Wesen zu zeigen’.“ (ebenda, Seite 139-40)
Was die Übersetzung betrifft, so ist Dr. Nibleys Abraham in Egypt sehr enttäuschend. Er bestätigt, dass die Worte „Gewährt, dass der Ba des Osiris Sheshonq lebt“ in Fak. Nr. 2 erscheinen (S. 62), aber er liefert keine Übersetzung der bedeutenden Hieroglyphen, die man auf dem Originalpapyrus findet, der für Fak. 1 benutzt wurde. Nach vierzehn Jahren hat er immer noch nur eine Übersetzung von zweien der zehn übersetzbaren Fragmente der Joseph-Smith-Papyri geliefert.
In seinem Heft What Mormonism Isn’t – A response to the Research of Jerald and Sandra Tanner, lehnt sich Ian Barber dicht an Dr. Nibleys Forschung an. Er versucht Nibleys Fehler zu entschuldigen, indem er sagt: „Bei einem so fruchtbaren Schreiber wir Nibley, auf Feldern, wo ständig neue Information auftaucht, von der einiges ihn in bestimmte Aspekte näher und in zeitgenössische, historische Prozesse verwickelt, die nicht seine Stärke sind, eine irgendwie unkristallisierte Situation, ist bei einer vorläufigen Analyse verständlich (obwohl einige Widersprüche, die Walters und die Tanners anführen, ziemlich pedantisch sind; und einige sind einfach nur deutliche Missverständnisse wegen Nibleys oft benutzten ‚Zunge-in-der-Wange’-Stils).“ (Seite G-1) Mr. Barber sagt, dass Nibley „zugibt, dass er anfangs im Umgang mit den Joseph-Smith-Papyri frei herumplänkelte und versuchte, Zeit zu gewinnen, während er weitere Gutachten sammelte“. Barber glaubt aber, dass Nibley „jetzt mit Sicherheit angekommen ist“. Wir haben das Gefühl, da Nibley jetzt zugibt, dass er „herumplänkelte und versuchte, Zeit zu gewinnen“, als er als die größte Autorität der Kirche in ägyptischer Sprache aufgeboten wurde, dass es keinen Grund gibt, seinem Werk heute zu vertrauen. Es gibt tatsächlich jeden Grund zu glauben, dass er immer noch Ausflüchte macht und dass seine große Zurschaustellung der Gelehrsamkeit nur ein Rauchschutz ist, um seine Unfähigkeit zu verdecken, dem wahren Problem ins Gesicht zu sehen.
Auf jeden Fall ist Ian Barber sehr beeindruckt von Nibleys Forschungsarbeit über apokryphische Schriften. Seine Ansichten über den Joseph-Smith-Papyrus scheinen sehr liberal zu sein, und er ist sogar bereit zuzugeben, dass zwei der Faksimiles im Buch Abraham vom Buch der Atemzüge stammen:
„Von Faksimile 1 und 3 weiß man jetzt, dass sie zu einem späten ägyptischen Dokument gehören, der übersetzte englische Name lautet im Allgemeinen ‚Book of Breathings’ (Buch der Atemzüge)… während Faksimile Nr. 2 ein Beispiel eines literarischen Dokuments ist, das man als Hypocephalus kennt… Faksimile Nr. 1 wurde als Zusatz zum Text des Sensen-Papyrus entdeckt – eines späten ägyptischen Begräbnisdokuments… es ist offensichtlich, dass Joseph und seine Schreiber ziemlich willkürlich versuchten, die fehlenden Stellen der Faksimiles beim Kopieren wieder herzustellen. Dies betrifft die Einfügungen von Schrift (wie im Hieratischen am Rand des Faksimile 2) und ebenso mindestens eine zeichnerische Darstellung (d. h. Re in der Sonnenbake in Faksimile 3, Figur 2) von Fragmenten des Totenbuches, die sich ebenfalls in Joseph Smiths Besitz befanden… Zusätzlich zum klaren Beweis, dass die Faksimiles beim Abkopieren geändert worden sind, stelle ich anheim, dass Joseph Smith nicht glaubte, dass er Abrahams Originalschriften besaß, sondern eher Reproduktionen, die geändert und in einen völlig neuen Zusammenhang gestellt worden waren. Die Geschichte, die Ägyptologen… uns geliefert haben, beschreibt diesen neuen Zusammenhang und nicht unbedingt Abrahams Weltsicht vor etwa 4000 Jahren…
In ihrer Form innerhalb des Sensen-Papyrus lassen sich Faksimile 1 und 3 auf die Zeit um Christus datieren. Der Sensen-Papyrus ist ganz richtig ein Begräbnisdokument, das oft unter den Kopf des Verstorbenen auf dieselbe Weise wie der runde Hypocephalus gelegt wurde. In diesem Zusammenhang gehört das Thema der Faksimiles zu den Mysterien des ägyptischen Gottes Osiris…
Faksimile 1 hat den Kandidaten (der durch die 1967 wieder entdeckten Texte als Hor identifiziert wurde) in der Verkleidung des Osiris abgebildet, da jeder Kandidat, um sich als erfolgreich zu erweisen, mit dem Gott der Unterwelt identifiziert werden muss. Hor wird auf der Löwencouch (Fig. 2 und 4) von Anubis (Fig. 3) als Art Priester einbalsamiert, während darunter die vier kanopischen Gottheiten (Fig. 5-8) in Form von Vasen als Verwahrungsgefäße auf die Eingeweide Hors warten. Faksimile drei ist das Ende der Reise, während Hor (Fig. 5) von Anubis (Fig. 6) in die Gegenwart von Osiris (auf dem Thron sitzend, Fig. 1) mit Hathor-Isis und Maat geführt wird, die Wahrheit und Gerechtigkeit repräsentieren, die Grundsätze, nach denen Hor gerichtet werden soll.
Nun lassen Sie mich noch schell hinzufügen, dass genau diese Szene absolut nicht ursprünglich ist, da sie hundertfältig vervielfältigt wurde bis hin zurück in die Zeit Abrahams, und obwohl für Hor die zwei Faksimiles für seine ‚Atmungserlaubnis’ bereitet wurden, gibt es absolut keinen Grund, ihre Existenz in verschiedenen Zusammenhängen und zu verschiedenen Zeiten, die sicherlich bis 2000 v. Chr. zurückreichen, auszuschließen… (Wie ich schon angemerkt habe, zeigt die freizügige Art, wie Joseph Smith Re in Figur 3 von den Totenbuchfragmenten, die in seinem Besitz waren, nahm und die Figur in die Lücke im Hypocephalus einsetzte, dass der Prophet verstand, dass die Vignetten, die ursprünglich Aspekte des Buches Abraham erklärten, nach etlichen Tausend Jahren nicht in derselben Form erhalten geblieben sind.)…
Es ist meine persönliche Meinung, dass Joseph Smith eigentlich den Abraham-Text nicht besaß, aber… ich glaube, dass Joseph sich nur darauf bezog, die ‚Schriften Abrahams und Josephs’ in seinem Besitz zu haben, und ich glaube, dass er mit seinen Kommentaren von 1842 allgemein spricht und die Faksimiles meinte und nicht den eigentlichen Text… Ich glaube, dass Gott ihm weitere Einzelheiten (und den vollen Namen) von einem abrahamischen Text offenbarte, der vielleicht woanders sicher gelagert war… Meiner Meinung nach dienten die Faksimiles und das ägyptische Material als Offenbarungshilfsmittel für den Propheten, um ihn intellektuell und geistig für die direkte Offenbarung des Buch-Abraham-Textes vorzubereiten. Abgesehen von dem, was in diesem Zusammenhang göttlich offenbart wurde, glaube ich deshalb, dass Joseph Smith kein Ägyptisch kannte, wie das Egyptian Alphabet and Grammar von Kirtland zu beweisen scheint.“ (What Mormonism Isn’t, Seite 2, 5, 8, 9)
Während wir durch Mr. Barbers Zugeständnisse, dass die Faksimiles vom Buch der Atemzüge sind, ermutigt werden, verstehen wir nicht, wie er glauben kann, dass „Joseph Smith eigentlich den Abraham-Text nicht besaß“. Wir haben zuvor schon gezeigt, dass diese Idee in direktem Widerspruch zu den Aussagen Joseph Smiths selbst stehen (siehe History of the Church, Bd. 2, S. 236, 350-51; Bd. 6, S. 476; Köstliche Perle S. 33)
Obwohl wir das Gefühl haben, dass Ian Barber nicht wirklich eine hinreichende Antwort auf die Probleme gegeben hat, die wir aufgeworfen haben, haben wir das Gefühl, dass er in seinem Bestreben „über vitriolischem Angriff zu bleiben“ Erfolg hatte. In dieser Hinsicht steht sein Heft in scharfem Gegensatz zur versuchten Zurückweisung der Browns. Der Leser wird sich erinnern, dass die Browns uns des Betrugs in der Affäre Dee Jay Nelsons beschuldigten. Ian Barber andererseits lobte uns für unsere Aktionen in dieser Sache: „Zu ihrer Anerkennung haben Jerald und Sandra Tanner solche Einzelheiten in einem öffentlich zirkulierenden Brief erkannt und drucken Nelsons Titel nicht mehr und haben alles, was mit ihm zu tun hat, aus ihren jetzigen Werken (wie ‚The Changing World of Mormonism’ ) gelöscht. Solche Information ist natürlich nicht direkt relevant bei Argumenten für oder gegen das Buch Abraham und wird nur erwähnt, weil ich den Fehler machte, Nelson einen Ägyptologen, zu dem er sich selbst stilisiert hatte, zu nennen.“ (What Mormonism Isn’t, Seite F-15)
weiter